Wer die Geschichte der Hanfparade erzählen will, muss inzwischen mehr als zwei Jahrzehnte zurück blicken. Dass sie nach so langer Zeit noch immer gebraucht werden würde, hätte bei ihrer Erfindung niemand gedacht.
Mitte der Neunziger schwappte eine nie dagewesene Hanfwelle durch die Bundesrepublik. Dank der „Wiederentdeckung der Nutzpflanze Hanf“ und der Erkenntnis, dass das Cannabisverbot wenig bis nichts mit den gesundheitlichen Risiken des Konsums aber jede Menge mit Rassismus und kapitalistischer Verdrängungslogik zu tun hatte, wuchs ein Legalisierungspflänzchen heran, dessen Same bereits Ende der Sechziger gelegt wurde.
In Deutschland entstanden ab 1994 in kurzer Zeit mehrere hundert Headshops. Longpapers fanden sich plötzlich in jedem Tabakladen. Beinahe täglich wurden Ideen Realität, die noch zum Mauerfall undenkbar waren. Nutzhanffelder wurden wieder Teil der deutschen Landschaft. In Berlin trat eine Hanfpartei zu Kommunalwahlen an und erzielte Achtungserfolge. Allein die Präsenz von Fachzeitschriften für ambitionierte HanfanwenderInnen war damals vielerorts ein Skandal.
Was Deutschland fehlte, da waren sich eine knappe Handvoll BerlinerInnen im Frühjahr 1997 sicher, war eine große Demonstration, die dieser neuen Graswurzelbewegung ein Gesicht verlieh. So politisch wie die Friedensmärsche sollte sie sein und gleichzeitig so viel Spaß machen wie die Loveparade – Halt eine Hanfparade. Mit Musik und Reden und Markt sowie viel Herzblut wollten Petra, Dirk und Gert helfen, Hanf zu legalisieren. „Für Cannabis als Rohstoff, Medizin und Genussmittel“ war denn auch das Motto des frisch gegründeten Bündnis Hanfparade e.V.; „Mit Hanf in die Zukunft“ der Slogan der ersten bundesweiten Legalisierungsdemo.
Der Erfolg der Bemühungen, rund 20.000 Menschen beteiligten sich an der Hanfparade 1997, machte Hoffnung auf politischen Rückenwind im Wahljahr 98.
Kaum jemand zweifelte damals daran, dass die Legalisierung nur eine Fragen von Monaten sei. Helmut Kohls CDU wehrte sich zwar noch nach Kräften und verbot den Verkauf von Hanfsamen, doch die Ära des „Kanzlers der Einheit“ ging unübersehbar zu Ende. Die Sozialdemkraten brachten im Mai 1998 sogar einen Gesetzesvorschlag ein, der den Besitz von 30 Gramm Cannabisprodukten straffrei gemacht hätte. Die Stimmung auf der vier Wochen vor der Bundestagswahl stattfindenen Hanfparade’98 war deshalb mehr als Ausgelassen. Fast 30.000 Menschen feierten die zum Greifen nah scheinende Befreiung vom Hanfverbot.
Zwei Monate und viele viele Wählerstimmen für den Rot-Grünen-Politikwechsel später, kam das verkaterte Erwachen.
Noch in den Koalitionsverhandlungen machte die SPD der Legalisierungsbewegung einen Strich durch die Rechnung. Noch nicht einmal reden durften die Bündnisgrünen über das Thema. Die Probleme der Millionen CannabiskonsumentInnen waren auf einmal unwichtig. Selbst das vom Rest der Welt belachte Samenverbot wollte die Regierung Schröder plötzlich nicht wieder aufheben.
Die daraufhin massiv einbrechenden Umsätze der deutschen Headshops und wachsende Schwierigkeiten, Sponsoren für das Event zu finden, waren indes längst nicht die einzigen Sorgen der OrganisatorInnen. Die Versammlungsbehörde verbot der Hanfparade’99 mit dem „Hanfmarkt der Möglichkeiten“, einer Art Open-Air-Hanfmesse auf der Schlusskundgebung am Brandenburger Tor, das zweite monetäre Standbein des Events. Dass mit rund 40.000 TeilnehmerInnen noch einmal mehr als im Vorjahr kamen, konnte nur Wenige über die finanzielle Schieflage des Bündnis Hanfparade e.V. hinweg trösten.
Einmal wollte man das Wagnis noch eingehen. Das neue Jahrtausend sollte nicht ohne Hanfparade beginnen.
Weiter geht es in Teil 2 mit den wilden Jahren nach dem Jahrtausendwechsel.