Wer die Geschichte der Hanfparade erzählen will, muss inzwischen mehr als zwei Jahrzehnte zurück blicken. Zur Jahrtausendwende stand der Veranstalerverein vor dem klassischen Dilemma ehrenamtlicher Arbeit – alle wollen’s, aber keiner will’s bezahlen.
Die Milleniumsparade blieb indes nicht aus politischen oder fiskalen Gründen im Gedächtnis. Keiner der laut Veranstalterangaben 60.000 TeilnehmerInnen hat wohl vergessen, wo er sich am 19.8.2000 gegen 19:30 Uhr befand. Zu diesem Zeitpunkt öffnete der Himmel seine Schleusen und zertrümmerte mit beinahe golfballgroßen Hagelkörnern Regenschirme, Autoscheiben, Infostände und die Musikanlage der Hanfparade-Bühne. Mitten im heiß ersehnten Auftritt der Hamburger HipHop-Combo „5 Sterne Deluxe“ rannte alles was Beine hatte um sein Leben. Hanffreunde drängten sich dicht an dicht im Hagelschatten des Brandenburger Tors, Dutzende enterten sogar die Polizeiautos. Obwohl der Spuk kaum eine Viertelstunde währte blieb den OrganisatorInnen danach nur der Abbruch.
Die 2000er Parade hatte aber auch ihr Gutes. Neues Blut im Orgateam brachte Mut zur Veränderung und sicherte eine Neuauflage Deutschlands größten Legalizeevents im Jahr 2001.
„Kein Krieg gegen Pflanzen“ war damals das Motto und international die RednerInnenliste. Mit Alan Dronkers aus den Niederlanden, Dana Beal aus den USA und dem Schweizer André Fürst griffen weltweit bekannte Szenegrößen zum Mikrofon. Auch musikalisch geschah „historisches“. Die Berliner HipHop-Band Spezializtz weigerte sich, ihren Auftritt zum Schluß der Hanfparade pünktlich zu beenden. Minute um Minute verstrich und mit der Polizei wurden die VeranstalterInnen unruhiger. Als schliesslich ein mutiger Beamter die Bühne betrat und per Mikrofon zum Gehen aufrief, eskalierte die „friedlichste Demonstration Berlins“ (taz) zum ersten und letzten Mal ihrer Geschichte.
Wie im Vorjahr die Hagelkörner regnete es Dosen und Flaschen auf die Bühne. Wenn nicht ein Techniker kurzentschlossen den Strom abgestellt hätte, wer weiß welchen Schaden die aufgeheizten Rapfans angerichtet hätten. Zum Glück war die Hanfparade 2001 versichert und es gab außer blauen Flecken keine Personenschäden.
Um diese unschönen Szene möglichst schnell vergessen zu machen, zog die Hanfparade im Folgejahr an einen neuen Zielort. Wieder war ein Wahljahr und damit Hoffnung auf spürbare Veränderungen. Wieder war Wahljahr und damit Angst vor leeren Versprechen.
Am Ende war es aber keine wohlgeschliffene Politikphrase, die der Hanfparade 2002 einen Platz in der bundesrepublikanischen Geschichte einbrachte. Sein von Stephan Raab mittels Charthit unsterblich gemachtes „Gebt das Hanf frei! Und zwar sofort!“ rief der Grüne Bundestagsabgeordnete Hans-Christian Ströbele bereits vor dem offiziellen Beginn in Richtung der Polizei, als die einige Dutzend Pflanzen der Hanffaser Uckermark beschlagnahmte. Nebenbei machte mit dem Deutschen Hanf Verband (DHV) eine Legalisierungs-Lobbyfirma auf sich aufmerksam, die nur wenige Monate vorher gegründet worden war. Zwei Jahre polizeiliche Ermittlungen und Gerichtsverfahren später war klar – Der Hanf ist frei zu geben – und Georg Wurth holte 630 Gramm Cannabis beim LKA Berlin ab.
Da auch die Bundestagswahl im Herbst danach keinen Fortschritt in Sachen Legalisierung brachte, traten die HanfparademacherInnen im Jahr 2003 erneut in die Öffentlichkeit. Vor dem Bundesfinanzministerium wollte man erstmals starten – mit dem behördlichen Echo auf diese Entscheidung hatte niemand gerechnet. Und so begann der Tag mit dem wohl massivsten Polizeieinsatz wegen Cannabis in der deutschen Geschichte. Nicht weniger als vier Hundertschaften, eine sogar extra aus Sachsen angereist, begleiteten den Demozug mit Ganzkörperpanzerung, Helm und Schlagstock. Erniedrigende Durchsuchungen aller TeilnehmerInnen im strömenden Regen, Schikanen gegen WagenbetreiberInnen, versuchte Zensur polizeikritischer Redebeiträge – Selten begann eine Legalizedemo so angespannt wie diese.
Gerecht haben sich die Hanfparade-TeilnehmerInnen auf sehr charmante Weise. Irgendjemand nutzte die auf Sportzigaretten fixierte Aufmerksamkeit der Uniformträger und verschönerte das Bundesverteidigungsministerium im Vorbeigehen mit einem gut zwei Meter messenden Peacezeichen. Die Feldjäger schäumten, Farbproben wurden genommen, fast zwei Jahre polizeilich ermittelt, einen Schuldigen fand man indes nie 🙂
Leider hielt die Polizei in den folgenden Jahren (Teil 3) an der Schikanestrategie fest.