Cannabisblüten sind jetzt als Medizin verschreibungsfähig
Das Hanf Museum musste nur 22 mal seinen Geburtstag feiern, die Hanfparade nur 20 mal durch Berlin ziehen, der Global Marijuana March (GMM) alljährlich in nur über 20 deutschen Städten stattfinden und es brauchte nur über 1000 Ausnahmegenehmigungspatienten in Deutschland, bis endlich am Freitag, den 10. März 2017, Cannabisblüten hierzulande verschreibungsfähig wurde. Zuvor mussten etliche andere Länder die medizinische Wirksamkeit von THC-reichen Hanfblüten bewiesen, dutzende Petitionen eingereicht werden, viele Jahre Lobbyarbeit des Deutschen Hanfverbandes (DHV) geleistet werden und vor allem mussten Patienten weit über zehn Jahre prozessieren, bis unsere Volksvertretung im Reichstagsgebäude am Donnerstag, den 19. Januar 2017, auf die revolutionäre Idee gekommen ist, Cannabistherapien per Rezept verschreibbar zu machen. Danach musste der Bundesrat noch zustimmen, der Bundespräsident das Gesetz unterschreiben bis dieses dann am Donnerstag, den 9. März 2017, im Bundesgesetzblatt veröffentlicht werden konnte.
Die wichtigsten Änderungen
Wie Kirsten Müller-Vahl und Franjo Grotenhermen im Deutschen Ärzteblatt vom 24 Februar 2017 schreiben, können Ärztinnen und Ärzte jeder Fachrichtung ab dem 10. März Cannabisblüten und Extrakte aus Cannabis mittels Betäubungsmittel-(BtM-)Rezept verordnen. Hierfür ist keine besondere Qualifikation erforderlich. Das bisherige Verfahren entfällt damit, dass Patienten bei der Bundesopiumstelle des Bundesinstituts für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) eine Ausnahmeerlaubnis nach § 3 Abs. 2 Betäubungsmittelgesetz (BtMG) zum Erwerb einer standardisierten Cannabisextraktzubereitung oder von Medizinal-Cannabisblüten zur Anwendung im Rahmen einer ärztlich begleiteten Selbsttherapie beantragen müssen. Alle anderen bisher in Deutschland bereits verschreibungsfähigen Cannabis-basierten Medikamente können auch weiterhin unverändert verordnet werden. Im Gesetz wurde ausdrücklich darauf verzichtet, einzelne Indikationen aufzuführen. Cannabisblüten und -extrakte können daher für jede Indikation verordnet werden, wenn „eine allgemein anerkannte, dem medizinischen Standard entsprechende Leistung im Einzelfall nicht zur Verfügung steht“ oder wenn diese Leistung „im Einzelfall nach der begründeten Einschätzung des behandelnden Vertragsarztes unter Abwägung der zu erwartenden Nebenwirkungen und unter Berücksichtigung des Krankheitszustandes der oder des Versicherten nicht zur Anwendung kommen kann“. Dies bedeutet, dass eine Behandlung mit Cannabis auch dann eingeleitet werden kann, wenn theoretisch noch weitere, bisher nicht eingesetzte (zugelassene) Behandlungen zur Verfügung stehen und der Patient noch nicht „austherapiert“ ist.
Der finanzielle Aspekt
Das neue Gesetz verändert vor allem die Finanzierung der Therapie, die in Zukunft nicht mehr ausschließlich von den Patienten selbst übernommen werden muss, sondern von den Krankenkassen gedeckt wird. Bisher wurden in den wenigen Ausgabeapotheken in der Bundesrepublik Produkte aus den Niederlanden und aus Kanada verkauft. Die Preise für eine Dose mit fünf Gramm Cannabisblüten lagen bisher zwischen 75€ bis weit über 100€, was für die meisten Patienten schlicht nicht zu leisten war. Auch führten öfter Lieferengpässe viele Patienten vom Regen in die Traufe und vor allem in die Illegalität, weil sie ihre Medizin nur auf dem Schwarzmarkt bekommen konnten.
Die Cannabisagentur
Gemäß Pressemitteilung vom 3. März 2017 des Bundesinstituts für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) wird im BfArM eine Cannabisagentur eingerichtet. Die Cannabisagentur wird den Anbau von Cannabis zu medizinischen Zwecken in Deutschland steuern und kontrollieren. Unmittelbar nach ihrer Einrichtung wird die Cannabisagentur ein EU-weites Ausschreibungsverfahren starten und anschließend Aufträge zum Anbau an geeignete Unternehmen vergeben. Langfristiges Ziel ist es jedoch, die Versorgung schwerkranker Patientinnen und Patienten künftig mit in Deutschland angebautem Cannabis in pharmazeutischer Qualität sicherzustellen. Wie bisher wird die Bundesopiumstelle außerdem die Importe von Cannabis überwachen, mit denen die Versorgung der Patientinnen und Patienten sichergestellt wird, solange noch keine Ernte in Deutschland erfolgen kann. Das BfArM geht davon aus, dass im Jahr 2019 Cannabis aus dem Anbau in Deutschland zur Verfügung stehen wird, da der Anbau unter den betäubungs- und arzneimittelrechtlichen Vorgaben erst umgesetzt werden muss. Der Import von Cannabis wird auch über diesen Zeitpunkt hinaus möglich sein.
Sonderausstellung im Hanf Museum
Das Hanf Museum in Berlin klärt mit einer Sonderausstellung zum Thema „Cannabis als Medizin“ auf, worum es geht, wer dafür in Frage kommt und wie es in der Zukunft laufen könnte. Die Sonderausstellung wurde am Mittwoch, den 1. März 2017, eröffnet. Das Hanf Museum ist in der Bundesrepublik das einzige seiner Art und neben denen in Bologna, Barcelona und Amsterdam eines von nur Vieren in ganz Europa. Im Herzen Berlins, im Nikolaiviertel am Mühlendamm 5, können sich die interessierten BesucherInnen ein umfassendes Bild über die alte Kulturpflanze machen. Öffnungszeiten: Montag ist Ruhetag, Dienstags bis Freitags: 10 Uhr bis 20 Uhr, Samstags und Sonntags: 12 bis 20 Uhr.