Die deutsche Drogenpolitik wird letztendlich in Parlamenten gemacht. Für wesentliche Änderungen des Betäubungsmittelgesetzes (BtMG) bedarf es einer Mehrheit im Bundestag. Wer dort sitzt und damit u.a. die vier bis acht Millionen deutschen Cannabiskonsumenten vertritt, wird über Wahlen bestimmt. Doch nicht immer tun die Parlamentarier nach der Stimmabgabe das, was sie in Wahlprogramm und -werbung versprachen.
Um die richtige Wahl zu treffen, müssen Hanffreundinnen und Hanffreunde den Blick in die Geschichte wagen. Die folgenden Ausführungen demaskieren (entlarven) Schein und Sein der Falken und Tauben im drogenpolitischen Diskurs.
Von Falken und Tauben
Von 1982 bis 1998 wurde die Bundesrepublik Deutschland von einer christlich-liberalen Koalition aus CDU/CSU und FDP unter der Federführung von Bundeskanzler Helmut Kohl regiert. Schwerpunkte der Drogenpolitik waren die Bekämpfung der sogenannten Rauschgiftkriminalität und die damit in Zusammenhang gebrachte organisierte Kriminalität. Dabei agierte das Innenministerium federführend. Für Kiffer bedeutete dies, dass die Zahl der registrierten Cannabisdelikte in diesem Zeitraum von 40.792 (alte Bundesländer einschließlich West-Berlin) auf 112.923 (alle Bundesländer) angestiegen ist. Der Repressionskoeffizient (Repressionskoeffizient = (erfasste Fälle x 100.000) / Einwohnerzahl) stieg in dieser Zeitspanne von 66,18 auf 137,61 respektive um 108 Prozent und somit um durchschnittlich 4,7 Prozent pro Jahr (1,04716 -1 = 1,08).
Zu den Zeiten, als die Sozialdemokraten (SPD), die Grünen (Bündnis 90/Die Grünen) und ab 1990 nach der Wiedervereinigung auch die Sozialisten (PDS) sich mit der Oppositionsrolle abfinden mussten, waren die drogenpolitischen „Fronten“ klar und deutlich erkennbar. Die Regierung stets konsequent auf der repressiven Seite spielte die Rolle der Falken und die Opposition eher wankelmütig auf der liberalen Seite spielte (zumindest scheinbar) die Rolle der Tauben.
Vor der Wahl 1998 spiegelten die Sozialdemokraten und das Bündnis 90/Die Grünen dem Wahlvolk vor, sie seien die Tauben im drogenpolitischen Diskurs, doch nach der Wahl entpuppten sie sich genauso als Falken wie die christlichen Unionsparteien.
Von 1998 bis 2005 wurde die Bundesrepublik Deutschland von einer Koalition aus SPD und Grüne unter der Federführung von Bundeskanzler Gerhard Schröder regiert, wobei aufgrund der vorzeitigen Neuwahlen 2005 nicht mehr richtig durchregiert wurde, sondern vor allem Wahlkampf betrieben wurde. Unter Rot/Grün wurde das Drogenreferat vom Innenministerium zum Gesundheitsministerium verlegt, es wurden die Fixerstuben legalisiert und die Modellversuche für die Originalstoffabgabe (Heroinabgabe) an schwer abhängige Fixer eingeführt. Für Kiffer änderte sich jedoch nichts zum Positiven, ganz im Gegenteil. Die Zahl der registrierten Cannabisdelikte stieg im Zeitraum von 1998 bis 2004 von 112.923 auf 177.203. Der Repressionskoeffizient stieg in dieser Zeitspanne von 137,61 auf 214,71 respektive um 56 Prozent und somit um durchschnittlich 7,7 Prozent pro Jahr. Unter Rot/Grün war der durchschnittliche jährliche Repressionsexpansionskoeffizient (prozentuale Zunahme des Repressionskoeffizienten in einem gegebenen Zeitintervall) signifikant größer als in der Regierungsperiode unter Helmut Kohl.
Ob diese Entwicklung Folge eines signifikanten Anstiegs der Konsumentenzahlen und damit Ausdruck des Zeitgeistes war oder Ergebnis politischer Maßnahmen der Rot-Grünen Regierung, wurde nach deren Abwahl im Jahr 2005 offenbar.
Von 2005 bis 2009 wurde die Bundesrepublik Deutschland von einer großen Koalition aus CDU/CSU und SPD unter der Federführung von Bundeskanzlerin Angela Merkel regiert. Die drogenpolitischen Leitlinien wurden nicht geändert, doch erstaunlicherweise sank in diesem Zeitraum die Zahl der registrierten Cannabisdelikte von 168.678 auf 134.324. Der Repressionskoeffizient sank in dieser Zeitspanne von 204,46 auf 163,80 respektive um 20 Prozent und somit jährlich um durchschnittlich knapp 5 Prozent.
Zeitreihe der BtM- und Cannabisdelikte in Deutschland 1982-2011, Datenquelle: BKA
Seit 2009 wurde Deutschland wieder von einer christlich-liberalen Koalition aus CDU/CSU und FDP regiert. In den ersten beiden Regierungsjahren stieg der Repressionskoeffizient wieder leicht um durchschnittlich 0,5% jährlich. Neuere Daten zeigen ein kontinuierliches Ansteigen des Repressionskoeffizienten.
Grün gewählt und bekommen?
Die Vorstellungen die der Wähler von einer Partei hat, entspricht oft nicht dem Verhalten ihrer Vertreter, wenn diese „an der Macht sind“. Zur Jahrtausendwende wurde der alte Spruch Wer hat uns verraten? Die Sozialdemokraten! nicht nur von Kiffern um ein Wer verrät uns schneller? Die Grünen und AL-ler! ergänzt. Das dies in Zukunft nicht mehr notwendig sein wird, haben die Bündnisgrünen nach ihrer Abwahl im Jahr 2005 versprochen. Wer sie weiterhin wählen will, sollte sie an dieses Versprechen erinnern.
Zu Beginn des Jahrhunderts sorgten die Opiumhöhlen der chinesischen Einwanderer an der Westküste in den USA für Schlagzeilen in den Medien, gegen Endes des Jahrhunderts waren es die Fixerstuben in der Schweiz, in den Niederlanden und in einigen Bundesländern Deutschlands. Die Opiumhöhlen waren Anlass für die Einführung einer restriktiven (einschränkenden) Betäubungsmittelpolitik, die Fixerstuben sind das Zeugnis des Scheiterns dieser Politik. Betroffen von der repressiven (unterdrückenden) und irrationalen (vernunftwidrigen) Drogenpolitik waren jedoch nicht nur die Opiatkonsumenten, sondern mehrheitlich die Gras- und Haschischraucher (Cannabiskonsumenten).
Irrationale Drogenpolitik versus vernünftige Interventionsstrategie
Bis Mitte der sechziger Jahre blieb Europa weitgehend von der in Amerika wütenden Drogenrepression verschont, obwohl auch die meisten europäischen Staaten in den zwanziger Jahren Betäubungsmittelgesetze in Kraft gesetzt hatten. Als jedoch „Flower-Power“ zum Leitmotiv einer weltumspannenden Jugendkultur wurde und überall immer mehr Hippies sich im Freien zu Musikfestivals trafen, dort Haschisch rauchten, sich Zauberpilze, Meskalin und LSD einverleibten und so Einblicke in andere Sphären gewannen, sahen konservative Politiker die traditionellen Werte der Gesellschaft gefährdet und riefen zum gnadenlosen Kampf gegen diese neue Jugendkultur auf. Durch breit angelegte Kampagnen in den Massenmedien wurde die Bevölkerung mit den aberwitzigsten Horrormeldungen bezüglich einer gigantischen Drogenwelle, die auf Europa überschwappte, bombardiert, ein konkretes Wissen über Drogen ist durch diese Kampagnen jedoch kaum vermittelt worden. Die Meldungen waren häufig suggestiv konzipiert und einseitig tendenziös ausgelegt, um in demagogischer Weise die Bevölkerung zu manipulieren. Selbst absolut harmlose Haschischraucher wurden häufig als kriminelle Rauschgiftsüchtige diskreditiert. Die Repression gewann zunehmend eine Hochkonjunktur, die bis heute anhält.
Repression ist eine Verhinderungspolitik. Sie sollte eigentlich die Verfügbarkeit und den Konsum von Drogen durch Verbot eindämmen. Rückblickend kann jedoch festgestellt werden, dass die illegalisierten Drogen trotz stetig steigender Repression nahezu flächendeckend erhältlich sind und von Millionen von Menschen konsumiert werden. Die Repressionspolitik führte jedoch zur gesellschaftlichen Ausgrenzung der Drogenabhängigen mit der Folge einer sozialen Verelendung, zur Steigerung der Kriminalität und zur Spaltung der Gesellschaft. Repression ist somit keine vernünftige Interventionsstrategie (Intervention = Einmischung oder Maßnahme zur Verhinderung von etwas; Strategie = genauer Plan des Vorgehens, um ein bestimmtes Ziel zu erreichen; Interventionsstrategie = gezielte Maßnahme zu Verhinderung von etwas). Ursprünglich sollten durch die Verbotspolitik die Opiumhöhlen aus den Städten eliminiert werden, heute müssen jedoch die Städte um dem Drogenelend zu begegnen, Fixerstuben einrichten. Das Einrichten von Fixerstuben ist auf alle Fälle eine vernünftige Interventionsstrategie, da sie dem Siechtum vieler Opiatabhängiger entgegenwirken und dem Schutz der betroffenen Drogenkonsumenten dienen.
Repression kein Garant für Jugendschutz
Die Notwendigkeit, problematischen Drogenkonsum unter Jugendlichen zu verhindern, wird oft als Argument für ein generelles Cannabisverbot bemüht, obwohl bundesweit ca. 85% der Konsumenten von Cannabis laut offiziellen Erhebungen Erwachsene sind. Dabei beschützt eine betont repressive Cannabis-Politik keineswegs Minderjährige vor Drogen. Das zeigt die Studie „Jugendliche in Deutschland zur Jahrtausendwende: Gefährlich oder gefährdet?“ des Kriminologischen Forschungsinstituts Niedersachsen (KFN). Im Jahre 2000 befragten die Wissenschaftler in mehreren Großstädten in Deutschland sowie im Landkreis Friesland (zwischen Bremen und der niederländischen Grenze) in einer Repräsentativumfrage Schüler der 9. Jahrgangsstufe zu Gewalt, Straftaten und Schuleschwänzen sowie zu ihrem Konsum von legalen und illegalen Drogen.
Mehr Drogenkonsum im repressiven München
Spitzenreiter beim Cannabiskonsum unter deutschen Jugendlichen waren dabei die Münchner Schüler, obwohl doch Bayern für seine repressive Cannabispolitik wohlbekannt ist. 14,8% der einheimisch-deutschen Jugendlichen der Hauptstadt des Freistaats Bayern hatten monatlich oder häufiger Cannabis konsumiert, mehr als in Hamburg (14,4%), Hannover (10,2%), in Friesland (9,1%) oder in Leipzig (8,1%). Nicht nur bei Cannabis sondern auch bei Alkohol liegt München vorne. Mit 10,4% konsumierten rund doppelt so viele Münchner Schüler wöchentlich oder gar täglich Alkohol als in den anderen Städten (Friesland: 6,0%, Leipzig: 5,2%, Hamburg: 5,1%, Hannover: 4,7%).
Obwohl der frühere Bayerische Innenminister und in der Folge Ministerpräsident von Bayern, Günther Beckstein, immer wieder vor der Verharmlosung von so genannten weichen Drogen warnt und gebetsmühlenartig betont, Cannabis sei nicht harmlos, wie manche falschen Propheten weismachen wollen und das Haschisch und Marihuana nachweislich schädliche Auswirkungen auf Körper und Psyche hätten und die bayerische Polizei deshalb immer konsequent alle Formen der Drogenkriminalität bekämpfe, schnitt München im Städtevergleich am schlechtesten ab. Becksteins repressive Drogenpolitik war im Ergebnis eher schadensfördernd statt schadensmindernd zu sein.
Mehr Drogenkonsum in der repressiven Westschweiz
Die Ergebnisse der KFN- Studie decken sich mit den Ergebnissen der Studie „Cannabis: Konsum, Einstellungen und Politik (PDF)“ der Schweizerische Fachstelle für Alkohol- und andere Drogenprobleme SFA (heißt heute Sucht Schweiz) vom Februar 2001. Es wurde festgestellt, dass Cannabiskonsum unter Männern in der cannabis-repressiven Westschweiz (französische Schweiz) weiter verbreitet ist als in der toleranteren Deutschschweiz oder im Süden des Landes im Kanton Tessin. In der französischen Schweiz wird deutlich härter gegen Cannabiskonsumenten vorgegangen als in der Deutschschweiz. Die höhere Repression zahlt sich laut der Studie jedoch nicht aus. Im Gegenteil: In der Romandie haben 39 Prozent der 15- bis 74-jährigen Männer mindestens einmal Cannabis konsumiert, in der Deutschschweiz 32 Prozent und im Tessin 28 Prozent. Bei den Frauen sind die Anteile in allen Landesteilen etwa gleich hoch. Auch die Mehrheit der Befragten bestätigt, dass Repression und das Verbot von Cannabis nicht vom Konsum abschrecken. 70 Prozent der Befragten sind der Meinung, dass der Konsum dadurch vielmehr noch verlockender werde.
Weniger Drogenkonsum in den liberalen Niederlanden
Eine Studie im Dreiländereck zu Belgien und den Niederlanden in der Euregio um Aachen stellte fest, dass mehr deutsche als niederländische Schüler Cannabis konsumierten. Die Studie in der Region um Aachen, Limburg (Niederlande) und dem deutschsprachigen Teil Ostbelgiens hat Indizien dafür geliefert, dass repressive deutsche Politik auch den Konsum durch Minderjährige nicht minimiert.
Die Untersuchung Jugendliche 2001 der Gesundheitsdienste der Euregio hat festgestellt, dass der Cannabisgebrauch unter Schülern im Alter von 14-16 Jahren auf der deutschen Seite der Grenze weiter verbreitet ist als in den Niederlanden, wo Cannabis seit Jahrzehnten in Coffeeshops an Erwachsene verkauft wird. 13 Prozent der deutschen Schüler aber nur 10 Prozent der niederländischen Altersgenossen hatten im letzten Monat Cannabis konsumiert. Mit so genannten „harten Drogen“ (u.a. Ecstasy und Amphetamin) hatten gar fast doppelt so viele Deutsche als Niederländer zu tun. Auch beim Gebrauch von Alkohol und Nikotin liegen die deutschen Schüler vor den Niederländern. Insgesamt wurden 40.000 Schüler weiterführender Schulen befragt.
Weniger Cannabiskonsum im einst liberalen Schleswig-Holstein
Die Verschärfung der Cannabispolitik in Schleswig-Holstein im Sommer 2006 wurde von Fachleuten bereits im Vorfeld aufs Schärfste kritisiert. So hat der Deutsche Hanf Verband (DHV) in einer Meldung im Juli 2006 die Absicht der schleswig-holsteinischen Landesregierung, den Besitz von Cannabis künftig schon ab sechs Gramm und nicht wie bisher ab 30 Gramm zu bestrafen, als „beispiellose Radikalisierung“ bezeichnet. Zuvor war bekannt geworden, dass Justizminister Uwe Döring (SPD) schon in der nächsten Woche diese neue Eigenbedarfsgrenze festlegen will. Die drogenpolitische Sprecherin der schleswig-holsteinischen Grünen, die Landtagsabgeordnete Angelika Birk, warf der Koalitionsregierung aus CDU und SPD „zunehmende Repression“ und „hilflosen Populismus“ vor.
Im einst liberalen Schleswig-Holstein haben weit weniger Erwachsene und auch weit weniger Schüler gekifft als im Rest der Bundesrepublik. Das Institut für Interdisziplinäre Sucht-und Drogenforschung (ISD) in Hamburg stellte bei einer Repräsentativ-Erhebung im Jahr 2004 fest, dass 4% der 18- bis 59jährige in Schleswig-Holstein Cannabis innerhalb des letzten Jahres (12-Monats-Prävalenz) geraucht hatten, im Rest der Republik waren es fast doppelt so viele (7%). Bei den 12- bis 25jährigen lag der Anteil in Schleswig-Holstein bei 8%, im Rest der Republik jedoch gemäß Drogen-Affinitätsstudie der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (BZgA) 13%. Offensichtlich führt eine vergleichsweise liberale Cannabispolitik nicht zu einem erhöhtem Cannabiskonsum in der Bevölkerung. Ein Zusammenhang zwischen Drogenpolitik bezüglich rechtlicher Rahmenbedingungen sowie Praxis der Strafverfolgung lässt sich nicht feststellen. Somit kann eine Verschärfung der Cannabispolitik nicht rational als Maßnahme zur Reduzierung des Konsums begründet werden – doch genau das tat der Justizminister Döring. Aufgrund der Datenlage hätte im Rahmen einer Drogenpolitik mit Vernunft die „geringe Menge“ in ganz Deutschland erhöht werden müssen, dann wären in der Folge vielleicht in Bayern der Anteil der Kiffer an der Gesamtbevölkerung auf das Niveau von Schleswig-Holstein gesunken.
Gesundheitsschädigung durch Alkohol und Haschisch
Mehr als die Hälfte der Bayern (54%) ist gemäß einer Umfrage im Jahr 2001 der Meinung, dass Gras und Haschisch für die Gesundheit schädlicher seien als Alkohol; in der Hauptstadt Berlin teilt nicht einmal ein Viertel der Befragten (23%) diese Ansicht. Die Mehrheitsmeinung der Bayern entspricht auch der Ansicht der Mehrheit der Deutschen mit Volksschulbildung (52% bis 53%), der Deutschen die REPs, DVU oder NPD wählen (57%) wie auch der Deutschen, die CDU respektive CSU wählen (53%). Im Gegensatz dazu glaubt nur eine Minderheit von 29% der Deutschen mit Abitur oder Hochschulabschluss, dass Cannabisprodukte schädlicher seien als Alkohol. Von den Deutschen, die Grün wählen, teilt sogar nur jeder Fünfte (20%) diese Ansicht, bei den Wählern der PDS (heute Die Linke) etwa jeder Dritte (34%).
Bei Wählern rechtsradikaler oder rechtskonservativer Parteien wie auch in den Bevölkerungsschichten mit niedrigem Bildungsniveau herrscht mehrheitlich die Meinung vor, dass Cannabisprodukte für die Gesundheit schädlicher seien als Alkohol, bei Wählern der Parteien aus der Mitte (SPD, FDP) wie auch in Schichten mit mittlerem Bildungsniveau wird die Schädlichkeit von Cannabisprodukten und Alkohol etwa gleich groß eingeschätzt, bei Wählern der linksgerichteten PDS und der Grünen wie in Schichten mit hohem Bildungsniveau wird hingegen Alkohol als gefährlicher eingeschätzt als Cannabisprodukte. Dies ist das Ergebnis einer Emnid- Umfrage im Auftrag der Landesarbeitsgemeinschaft Drogen Berlin (LAG-Drogen) von Bündnis 90/Die Grünen vom August 2001.
EU-Parlament verlangt Drogenpolitik mit Vernunft
Das Europäische Parlament verlangt grundsätzliche eine Änderung der Herangehensweise in der Drogenpolitik gemäß Leitlinien des „Catania Reports„. Das heißt, dass die nationale Drogenpolitik auf wissenschaftlichen Erkenntnissen im Hinblick auf jeden Drogentyp und nicht auf einem emotionalen Impuls basieren muss, da jedes drogenbezogene Problem einen spezifischen Ansatz erfordert, da eine Verallgemeinerung des Ansatzes die Glaubwürdigkeit aller Teilaspekte dieser Politik unterminiert. Ebenso ausschlaggebend für die Glaubwürdigkeit und Effizienz ist für das Parlament, dass auf der Grundlage von Evaluierungen und Analysen eine Revision der Politiken im Bereich der so genannten „Suchtstoffe“ in Angriff genommen wird, um sie im Hinblick auf die angestrebten Ziele effizienter und wirksamer zu gestalten.
Das Europäische Parlament fordert die Entwicklung präziser, quantifizierbarer und operationeller Ziele, um zu untersuchen, ob und in welchem Umfang die Zielsetzungen und Maßnahmen, wie sie in der vorherigen Strategie zur Drogenbekämpfung formuliert waren, zu Ergebnissen geführt haben. Des weiteren fordert das Parlament, dass die von den Drogen ausgehenden Gefahren unter anderem unter wissenschaftlichen, soziologischen und kulturellen Gesichtspunkten nicht nur durch eine genaue Untersuchung der objektiven und vergleichbaren Daten, sondern auch unter sorgfältiger Beurteilung aller anderen Folgen und Schäden für die Entwicklung der Gesellschaft analysiert werden müssen, um zu verhindern, dass bei der Analyse der zahlreichen Probleme im Zusammenhang mit Drogen eine zu starke Vereinfachung betrieben wird. Das Europäische Parlament verlangt zudem, dass diese Analysen und Beurteilungen veröffentlicht werden.
Fazit – Derzeitige Drogenpolitik unvernünftig
Das Bundesverfassungsgericht hat im Jahre 1994 festgestellt, dass ein in Grundrechte eingreifendes Mittel notwendig und geeignet sein muss, den angestrebten Zweck zu erfüllen, um grundgesetzkonform zu sein. Wenn eine repressivere Drogenpolitik nicht zum gewünschten Ergebnis führt, wie diese Studien zeigen, dann heißt das, dass der Gesetzgeber dieses Mittel nicht anwenden darf, weil den damit verbundenen Eingriffen in vom Grundgesetz geschützte Rechtsgüter kein angemessener Gewinn an anderen Rechtsgütern gegenübersteht. Stattdessen muss er weniger in Grundrechte eingreifende oder wirksamere Mittel verwenden, wie z.B. Aufklärung oder staatliche Kontrolle des Handels.
Drogenpolitik wird nach wie vor oft nicht nach Kriterien der Vernunft sondern aufgrund von fundamentalistischen Überzeugungen gemacht. Drogenpolitik wird oft auch nicht nach demokratischen Regeln gestaltet, sondern auf Basis bestimmter machtpolitischer Strukturen (z.B. europäische Strategie zur Drogenbekämpfung 2005-2012). Drogenpolitik unterliegt einem internationalen Reglement, das von fundamentalistischen Lobbyisten puritanischer Prägung (vornehmlich aus den USA) bestimmt und kontrolliert wird. Dabei handelt es sich um die gleichen Lobbyisten, die auf Basis von Täuschungen und Lügen Angriffskriege anzetteln (z.B. Irak) und hunderttausende von Menschenleben auf dem Gewissen haben. Gegen diese fundamentalistische Politik demonstrieren wir auf der Hanfparade. Wer zu dieser menschenverachtenden Politik schweigt, macht sich mitschuldig.
Quellen
Raschke P., Buth S., Kalke J.: Ergebnisse zum Konsum psychoaktiver Substanzen in Schleswig-Holstein (PDF) Jahresbericht 2004. Moderne Dokumentation in der ambulanten Suchtkrankenhilfe (Band 6), Kiel; Vergl. hierzu: Jens Kalke (Institut für Interdisziplinäre Sucht-und Drogenforschung ISD, Hamburg): Cannabiskonsum bei Jugendlichen – Kritische Anmerkungen zu neueren epidemiologischen Untersuchungen
Nicola Wilmers, Dirk Enzmann, Dagmar Schaefer, Karin Herbers, Werner Greve, Peter Wetzels:Jugendliche in Deutschland zur Jahrtausendwende: Gefährlich oder gefährdet? Ergebnisse wiederholter, repräsentativer Dunkelfelduntersuchungen zu Gewalt und Kriminalität im Leben junger Menschen 1998-2000, (Interdisziplinäre Beiträge zur Kriminologischen Forschung, Bd. 23), Nomos Verlag, ISBN 978-3-7890-8253-5