Verbote bei gleichzeitig hoher Nachfrage führen unweigerlich dazu, dass jene Verbote ignoriert oder umgegangen werden. Bekannte Beispiele dafür sind Drogen und Sexarbeit – in jedem Land, egal wie streng die Verbote sind, werden Drogen verkauft oder sexuelle Dienstleistungen angeboten.
Auch im frühen 20. Jahrhundert, als die USA auf die glorreiche Idee kamen, Alkohol zu verbieten, reduzierte dies den Handel und den Konsum nur mäßig. Illegale Brennereien, gewalttätige Händlerringe und sogenannte Flüsterkneipen schossen wie Pilze aus dem Boden. Auch der Umsatz von „medizinischem Whiskey“ und alkoholhaltigen Tinkturen verzigfachte sich. Viele Produkte waren, was ihre Zusammensetzung anging, deutlich gefährlicher als die Produkte, die man verbieten wollte. Dementsprechend gab es neben viel Kriminalität und Gewalt, auch zig Vergiftungen mit Methanol, Trikresylphosphat usw. usf.
Dass es aktuell in Deutschland, Europa und der Welt einen buchstäblich florierenden, illegalen Cannabismarkt gibt, sollte wirklich niemanden überraschen. Spannend sind aber die semi-legalen Ausweichbewegungen: Mitte der 2000er Jahre tauchten Kräutermischungen mit synthetischen Cannabinoiden auf (vgl. „Spice“), welche von einigen als legale und nicht durch Drogentests detektierbare Substitute konsumiert wurden. Ein weiteres, prohibitives „Katz und Maus“-Spiel begann. Am Schluss waren einige Derivate und die darauf basierende Produkte so potent, dass sie zu zig Krankenhausaufenthalten und sogar Todesfällen führten. Während jene potenten Zusätze aktuell dazu genutzt werden um illegal gehandeltes Cannabis psychotrop „aufzuwerten“, gibt es einen neuen Trend, und zwar synthetische Cannabinoide basierend auf natürlichen Cannabinoiden (vornehmlich CBD). Substanzen wie HHC, THCP, H4CBD etc. werden in allen typischen Cannabisformen angeboten. Wenngleich diese Substanzen vermutlich toxikologisch weniger bedenklich sind als die synthetischen Cannabinoide der Jahre zuvor, handelt es sich dennoch um weitestgehend unerforschte und vor allem unregulierte Substanzen, d.h. keine Behörde prüft, ob Produkte einigermaßen sicher oder sauber sind. Gerade durch unfachmännische Synthesen und unzureichende Aufreinigungsschritte besteht hier das Risiko, dass Substanzen aufgenommen werden, die weder den Konsumierenden noch den Herstellern bekannt sind.
Dennoch sollte vor der Verbotskeule gewarnt werden. Die Eingliederung ins Neue-psychoaktive-Stoffe-Gesetz (NpSG) über eine entsprechende chemische Gruppe hätte wohl einen gewaltigen Rattenschwanz für die gesamte Cannabinoidforschung und Hanfindustrie. HHC und Co. sind chemisch so nah an natürlichen Cannabinoiden, dass Forschung an neuen Cannabis-basierten Medikamenten oder Handel mit Nutzhanfextrakten (z.B. aufgrund von Kleinstmengen) nicht mehr ohne weiteres möglich sein könnten. HHC und THC (also „Hexa“hydrocannabinol und „Tetra“hydrocannabinol) unterscheiden sich alleinig durch zwei kleine Wasserstoffe, und darüber hinaus gibt es eben auch wissenschaftliche Literatur, die nahelegt, dass HHC (und etliche weitere potenziell betroffene Cannabinoide) auch in Spuren in natürlichem Cannabis vorkommen kann. Das heißt aber wiederum nicht, dass HHC oder andere Derivate in höheren Dosierungen sicher sind. Es ist somit völlig nachvollziehbar den unregulierten, kommerziellen Verkauf kritisch zu sehen. Aber da Verbote bekanntlich nur zu neuen Ausweichbewegungen führen, sollte man eher die Legalisierung von natürlichem Cannabis unterstützen statt weitere Verbote zu fordern. Das ist natürlich auch der Fokus der Hanfparade. Aber auch wenn die die Organisatorinnen der Hanfparade sich nicht für neue Cannabinoidverbote einsetzen, wird dennoch der unregulierte Handel (inkl. Werbegeschenken) auf deren Veranstaltungen abgelehnt. Zum einen bieten solche Aktivitäten zusätzliche Angriffsstellen seitens Behörden, und zum anderen hat die Gesundheit der Besucherinnen oberste Priorität.
Wenn die Politik akut etwas gegen HHC und Co. tun möchte, dann sollte sie das aktuelle Betäubungsmittelgesetz- oder das sehr umfängliche Lebensmittelrecht anwenden. Damit könnte man das Gros dieser Produkte aus dem Verkehr ziehen. Denn es gibt ziemlich strikte Einschränkungen für neue Lebensmittelzusätze, Cannabisharze und Blütenmaterial, bei dem der „Missbrauch zu Rauschzwecken“ sicherlich nicht ausgeschlossen werden kann (vgl. BtMG, Anlage 1).
Wer jenen neuen Entwicklungen entgegentreten möchte, sollte Energien in Richtung Legalisierung bündeln! Denn ein vernünftig regulierter Markt mit natürlichen Cannabisprodukten ist der beste Schutz vor weiteren Ausweichbewegungen, die mitunter deutlich gefährlicher sind als das, was man ursprünglich verbieten wollte.
Text geschrieben von Dr. Fabian Steinmetz für die Hanfparade