Die Stimmungslage
Bereits im September 2013 erschien im TAZ-Blog Drogerie der erste Aufruf zur Hanfparade 2014. In dem Artikel, der unter dem Titel „Grünes Licht für die Legalisierung!“ erschien, wurde nicht nur das Datum der Parade verkündet, sondern vor allem die Überwachung der Hanfkonsumenten angeprangert. Wörtlich hieß es in dem Artikel „Die Hanfparade ist seit Jahren immer auf der Demonstration Freiheit statt Angst präsent, da sich viele Überwachungsmaßnahmen in der Praxis gegen Hanfkonsumenten und deren Lieferanten richten. Vor der Einführung solcher Maßnahmen wird von vielen Politikern immer wieder beteuert, dass die Maßnahmen notwendig seien, um gegen Kinderpornographie und gegen Terrorismus vorgehen zu können. In der Praxis sind jedoch über 50 Prozent der Anlässe für eine Telekommunikationsüberwachung der Drogenhandel, etwa 1 Prozent betreffen Terrorismus und weit weniger als 1 Prozent betrifft Kinderpornographie.“
Im gleichen Blog erschien Ende Juli ein Beitrag unter dem Titel „Von der Dampfparade zur Hanfparade“. Darin wurde die wachsende Akzeptanz der Forderungen der Hanfparade in den führenden Zeitungen dieser Welt hervorgehoben. In dem Artikel kann man nachlesen, dass am 26. Juli 2014 die New York Times eine Kampagne für Cannabis-Legalisierung startete. In den Tagen danach veröffentlichte die renommierte Zeitung täglich einen Artikel zur Sinnlosigkeit des Verbots. Ja, die angesehenste Zeitung des Landes forderte: Gebt das Hanf frei! Die Argumente, die dort für eine Legalisierung aufgezeigt wurden, sind die gleichen Argumente, die seit vielen Jahren auf der Hanfparade in Berlin vorgetragen wurden. Generell kann beobachtet werden, dass die Befürworter einer Re-Legalisierung von vielen Seiten immer mehr Rückendeckung bekommmen.
Zwei Tage vor der Parade erschien im Neuen Deutschland ein ausführlicher Artikel unter dem Titel „Optimismus auf der Hanfparade“. Hervorgehoben wurde in diesem Artikel der Cannabis-Prozess Ende Juli vor dem Kölner Verwaltungsgericht. Das Gericht hatte das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) verpflichtet, drei Schmerzpatienten den Cannabis-Eigenanbau zu Therapiezwecken zu erlauben. Betont wurde auch, dass die Hanf-Freunde auch mit Argumenten von mehr als 120 Strafrechtlern und Kriminologen aus ganz Deutschland überzeugen wollen: In einer Resolution kritisierten die Strafrechtler die Drogenprohibition. Konsumenten würden dadurch zum Beispiel in kriminelle Karrieren getrieben und der Schwarzmarkt werde gefördert. Der Tenor des Artikels war, dass das Gerichtsurteil und die Einschätzung der Strafrechtsprofessoren Anlass zum Optimismus seien.
Einen Tag vor der Hanfparade sendete der RBB (Radio Berlin-Brandenburg) ein langes Interview mit dem Pressesprecher Steffen Geyer von der Hanfparade unter dem Titel „Nicht gefährlicher als Schokolade“. Auf die Frage, ob die Hanfparade in den letzten 17 Jahren etwas bewegt habe, gab Steffen Geyer ein klares Statement ab: „1997 hätten wir dieses Gespräch noch nicht so offen geführt, sondern viel mehr über die Kifferklischees reden müssen und ähnliches. Heute ist es kein Problem mehr, wenn ein Tatort-Kommissar in seiner Freizeit mal zum Joint greift, oder wenn ein Fußballspieler mal kifft. Das war vor 20 Jahren anders. Die Stimmung geht eindeutig in Richtung Legalisierung und ich glaube auch nicht, dass uns noch als zu viel Zeit von der Lösung dieses Problems trennt. Meine Schätzung sind so fünf bis zehn Jahre, dann werden wir in Deutschland einen legalen Hanfmarkt für Erwachsene haben und dann braucht es vielleicht auch nicht mehr die Hanfparade..“
In diversen Zeitungen wurde einen Tag vor der Hanfparade eine kurze sachliche dpa-Meldung abgedruckt. Die Berliner Zeitung beispielsweise titelte diese mit den Worten: „Hanfparade zieht durch Berlin: Unterstützer wollen Legalisierung“.
Das Geschehen
Am Samstag, 9. August 2014, startete die 18. Hanfparade am Hauptbahnhof auf dem Washingtonplatz bei warmem wechselhaften, aber trockenem Wetter. Um die Mittagszeit strömten die ersten Teilnehmer/innen aus dem Hauptbahnhof, gesellten sich zu den fleißig beschäftigten Menschen, die die Paradewagen dekorierten oder ließen sich gemütlich in kleinen Gruppen auf dem großen Platz nieder. Innerhalb einer recht kurzen Zeit wuchsen die kleinen Gruppen zu einer kaum überschaubaren großen Menschenmasse an, in der sich ein paar Mitglieder des OrgaTeams ein Weg bahnten und den wartenden Demoteilnehmer/innen Hanfparadestadtpläne verteilten. Im Nu fühlte man sich wie in einem großen Lesesaal, da die meisten Anwesenden ihre ganze Aufmerksamkeit den informativen Texten zur Hanfparade auf der Rückseite des Stadtplans widmeten.
Pünktlich um 13:00 Uhr begrüßte der Versammlungsleiter die inzwischen auf mehrere Tausend Personen angewachsene Menschenmenge. Er übergab das Mikrofon an Tibor Harrach (LAG Drogenpolitik Bündnis 90/ Die Grünen Berlin), Ingrid Wunn (Hanf-Initiative Frankfurt/Main) und ein knappes Dutzend weitere Vertreter/innen hanfpolitisch aktiver Organisationen, bis gegen 14 Uhr der Umzug startete. Dieser führte mit Zwischenkundgebungen vor der Parteizentrale der Partei Bündnis 90/ Die Grünen sowie vor dem Bundesministerium für Gesundheit zum Brandenburger Tor. Dort fand in der Zeit von 16:30 bis 22:00 Uhr die große Abschlusskundgebung statt. Bei der Ankunft beim Brandenburger Tor erfrischte – genau wie im Vorjahr – ein kurzer, aber heftiger Regenschauer die Demonstranten. Danach klarte der Himmel rasch auf und die Sonne strahlte. Auf der großen DINAFEM-Bühne lockte ein mit Reden u.a. von Halina Wawzyniak (netz- und rechtspolitische Sprecherin der Fraktion DIE LINKE), Mr. Cornelisen (ENCOD, Legalize Streetrave Amsterdam) sowie Livemusik u.a. Uwe Banton und Götz Widmann hochkarätiges, abwechslungsreiches Programm, das das Motto der Hanfparade 2014: „Grünes Licht für die Legalisierung!“ mit Leben erfüllte.
Bei der Abschlusskundgebung lauschte man jedoch nicht nur Reden und der Musik. Viele wandelten gut gelaunt von einem Infostand zum nächsten und ließen sich Dieses und Jenes zeigen und erklären. Vor allem beim Nutzhanfareal und im Forum für Hanfmedizin war das Gedränge der neugierigen Menschen oft recht groß. Wurde es einem zu eng, konnte man etwas weiter entfernt im Umfeld verschiedener Musikwagen tanzen und feiern. Auch dieses Angebot als Kontrastprogramm zwischen den manchmal doch recht anspruchsvollen Reden wurde gerne von vielen Teilnehmer/innen angenommen.
Die Berichterstattung
In zahlreichen Zeitungen wurde nach der Hanfparade eine dpa-Meldung zum Ablauf der Demonstration abgedruckt. In der Meldung wurde vor allem auf die Situation der Patienten und das Urteil des Kölner Verwaltungsgerichts hingewiesen und angemerkt, dass die Veranstalter sich aufgrund dieses Urteils mehr als die 6.000 Teilnehmer erhofft hatten. Beispielhaft sind hierfür die Artikel im Spiegel und im Handelsblatt. Der Spiegel titelte die Meldung mit den Worten „Hanfparade in Berlin: Für das Recht auf Kiffen“ und ergänzte den Artikel mit einer netten Bilderserie. Im Handelsblatt erschien nur ein Auszug der dpa-Meldung unter dem Titel „Kann Cannabis denn Sünde sein?“.
Dem Tagesspiegel war die Hanfparade gleich zwei Artikel wert. Unter dem Titel „Berlin und die Hanfparade: Cannabis für Haus und Hof“ wurde die Anwendbarkeit von Hanf als Baustoff thematisiert und dann in einem leicht ironischen Stil bemängelt: „Von Görlitzer Park und Revaler Straße, den Hauptumschlagplätzen für Hanfprodukte in Berlin, hält man sich überraschend fern. Die Drogendealer werden klar ausgegrenzt, dabei sorgen sie für die ständige Verfügbarkeit des Stoffs.“ Im anderen Artikel des Tagesspiegels mit dem Titel „Hanfparade zieht durch Berlin – sogar die Polizei ist entspannt“ von Jörn Hasselmann wurden diverse Eindrücke von der Demo vermittelt, so zum Beispiel: „Auf 100 Bierflaschen kam am Samstag allenfalls ein Joint, und so richtig qualmte nur der Disconebel vom Technotruck. Dennoch war die Stimmung auf der alljährlichen Hanfparade ausgelassen. Auch bei der 18. Auflage der Demonstration vom Hauptbahnhof zum Brandenburger Tor ging es nur um das eine – nämlich die Legalisierung von Marihuana.“
Auch Juri Sternburg von der TAZ stellt in seinem Artikel „Kiffen wird langweilig – Von Jahr zu Jahr harmloser“ fest, dass wer auf der 18. Hanfparade etwas rauchen wollte, lange suchen musste. So heißt es im Artikel: „Wer mit durch die Luft wabernden Nebelschwaden gerechnet hat, wird allerdings bitter enttäuscht, die circa 6.000 Teilnehmer der politischen Demonstration lassen sich höchstens von der Nebelmaschine der Parade-Wagen einlullen und fallen eher durch kreative Karnevalskostüme als durch öffentlichen Rausch auf. […] Ich bin immer noch auf der Suche, aber ausgerechnet hier scheint das wunderliche Kraut Mangelware zu sein. Als die Demonstration am Hauptbahnhof startet, ist man bemüht, einen guten Eindruck zu machen – und auch wenn einige Augen verdächtig rot wirken, die Polizei hat sich mittlerweile an den Umzug gewöhnt und umstellt die Teilnehmer nicht mehr mit behelmten Hundertschaften wie in den Anfangsjahren. Damals vermutete man anscheinend, dass der Haschischkonsum quasi automatisch zum Steinewerfen oder Barrikadenbauen verleitet.“
Die Reporterin Laura Miess von der Berliner Zeitung war wohl auf einer anderen Hanfparade als ihr Kollege vom Tagesspiegel. Die Berliner Zeitung titelte ihren Artikel nämlich mit den Worten „Hanfparade in Berlin: Weißer Rauch vernebelt die Sicht“. Und im Text heißt es dann gleich am Anfang: „Zwischen den Bäumen auf dem Platz vor dem Neuen Tor vernebelt weißer Rauch die Sicht. Die einen wippen im Rhythmus des lauten Reggae-Bass, die anderen haben es sich auf der Wiese bequem gemacht. In ihren Händen Joints und Bierflaschen. Es riecht nach Cannabis. Die Hanfparade kampiert vor der Bundesgeschäftsstelle der Grünen.“ In der Folge wurde dann jedoch sachlicher über Cannabis als Medizin berichtet und der Artikel schloss mit ein paar Statesments von Rolf Ebbinghaus, Kurator des Hanf Museums in Berlin.
Ein Fazit
Es gab zahlreiche gute und informative Reden auf dieser Hanfparade und unterhaltsame wie auch geistreiche Musik, doch die Medien vermeldeten kein Wort über die Inhalte der Reden, auch nannten sie nicht einen einzigen Namen einer Rednerin oder eines Redners, außer den des Versammlungsleiters und in einer Zeitung den des Kurators des Hanf Museums. Auch die Bands wurden in den Medien mit keinem Wort genannt. Es mutet einen schon verwunderlich an, dass diese zentralen Teile der Demonstration für Journalisten offenbar irrelevant sind. Dennoch war die Berichterstattung schon deutlich mehr themenbezogen als in den Vorjahren. Die Anliegen der Demonstranten wurden differenzierter dargestellt, als man dies aus den letzten Jahren gewohnt war und in diversen Zeitungen konnte man auch wissenswerte Hintergrundinformationen finden.
Die meisten Reden sind inzwischen online als Video aufrufbar. Ein Verzeichnis der verfügbaren Videos von Reden ist auf der Archivseite „Archiv Hanfparade 2014“ zu finden. Zudem findet man dort Links zu Videos, die allgemeine Eindrücke der Hanfparade 2014 vermitteln.