Das Recht mit anderen Menschen zusammen für etwas in der Öffentlichkeit zu demonstrieren ist in Deutschland ein unveräußerliches Grundrecht, das in Artikel 8 (Versammlungsfreiheit) des Grundgesetzes festgeschrieben ist. Das besagte Grundrecht gewährleistet insbesondere Minderheitenschutz und verschafft auch denen die Möglichkeit zur Äußerung in einer größeren Öffentlichkeit, denen der Zugang zu den Medien versperrt ist. Die darauf bezogene Versammlungsfreiheit genießt einen gegenüber der allgemeinen Handlungsfreiheit einen gesteigerten Schutz.
Historischer Ursprung des Demonstrationsrechts
Das Demonstrationsrecht respektive das Recht der Versammlungsfreiheit stammt aus der Zeit der Französischen Revolution. Frankreichs Verfassung des 3. September 1791, von der verfassungsgebenden Nationalversammlung etwa zwei Jahre nach der Erklärung der Menschen- und Bürgerrechte verabschiedet, garantiert ausdrücklich die Versammlungsfreiheit. In der Verfassung heißt es unter Titel I. „Grundeinrichtungen, von der Verfassung verbürgt„, dass „die Freiheit der Bürger, sich friedlich und ohne Waffen zu versammeln in Übereinstimmung mit den Polizeigesetzen“ gewährleistet ist. Des weiteren wurde in diesem Zusammenhang festgeschrieben, dass die gesetzgebende Gewalt keine Gesetze erlassen kann, welche die Ausübung der natürlichen und bürgerlichen Rechte, die durch die Verfassung verbürgt sind, beeinträchtigen oder hindern.
Die Paulskirchenverfassung
In Deutschland wurde die Versammlungsfreiheit in der so genannten Paulskirchenverfassung von 1849 garantiert. Die Paulskirchenverfassung war die erste demokratisch beschlossene Verfassung für ganz Deutschland. Sie wurde als Verfassung des Deutschen Reiches am 27. März 1849 von der verfassungsgebenden Nationalversammlung beschlossen, die nach der Märzrevolution von 1848 in der Paulskirche in Frankfurt am Main zusammengetreten war. Am 28. März 1849 wurde sie durch die Aufnahme ins Reichsgesetzblatt amtlich verkündet und trat damit juristisch in Kraft.
Im Reichsgesetzblatt, 16. Stück (Nr. 16), ausgegeben zu Frankfurt am Main am 28. April 1849, ist die Verfassung des Deutschen Reiches wiedergegeben. Im Abschnitt VI „Die Grundrechte des Deutschen Volkes„, Artikel VIII, § 161 heißt es „Die Deutschen haben das Recht, sich friedlich und ohne Waffen zu versammeln; einer besonderen Erlaubnis dazu bedarf es nicht. Volksversammlungen unter freiem Himmel können bei dringender Gefahr für die öffentliche Ordnung und Sicherheit verboten werden.“ (RGBl. 1849 S. 101; 130)
Die Versammlungsfreiheit in der Bundesrepublik Deutschland
In der Bundesrepublik Deutschland ist die Versammlungsfreiheit in Artikel 8 des Grundgesetzes als Grundrecht garantiert.
Artikel 8 Grundgesetz (Versammlungsfreiheit)
- Alle Deutschen haben das Recht, sich ohne Anmeldung oder Erlaubnis friedlich und ohne Waffen zu versammeln.
- Für Versammlungen unter freiem Himmel kann dieses Recht durch Gesetz oder auf Grund eines Gesetzes beschränkt werden.
Demonstrieren – Bürgerrecht oder Menschenrecht?
Das Grundgesetz garantiert „allen Deutschen“ in der Bunderepublik das Recht auf Versammlungsfreiheit. Es handelt sich hier somit um ein Bürgerrecht. Im Land Berlin haben demgegenüber „alle Männer und Frauen“ das Recht, sich zu versammeln. In Berlin ist somit die Versammlungsfreiheit nicht nur ein Bürgerrecht, sondern ein Menschenrecht. So heißt es in der Verfassung von Berlin, Abschnitt II „Grundrechte, Staatsziele“ im Artikel 26: „Alle Männer und Frauen haben das Recht, sich zu gesetzlich zulässigen Zwecken friedlich und unbewaffnet zu versammeln. Für Versammlungen unter freiem Himmel kann dieses Recht durch Gesetz oder auf Grund eines Gesetzes beschränkt werden.„
Die Demonstration – Instrument der Meinungsbildung
Eine Versammlung unter freiem Himmel auf öffentlichem Grund, im Volksmund Demonstration genannt, dient der öffentlichen Meinungsbildung und gehört ebenso wie die Meinungsfreiheit zu den unentbehrlichen und grundlegenden Funktionselementen der demokratischen Gesellschaftsordnung und genießt als Mittel zur gemeinsamen Sichtbarmachung von Überzeugungen und gesellschaftpolitischen Forderungen einen besonderen verfassungsrechtlichen Schutz, dem gegenüber Rechte anderer (z.B. von Anwohnern, Verkehrsteilnehmern und Gewerbetreibenden) zurücktreten müssen, da die Versammlungsfreiheit elementar die geistige Auseinandersetzung sowie den Kampf der Meinungen als Lebenselement der Menschen im freiheitlich demokratischen Rechtsstaat belebt. Die Privilegierung des Demonstrationsrechtes gegenüber anderen Freiheitsrechten basiert auf der besonderen Schutzbedürftigkeit der freien Meinungskundgabe. Darum kann eine Demonstration nur dann als solche anerkannt werden, wenn eine solche kollektive Meinungsbildung oder Meinungskundgabe objektiv vorliegt.
Wegen des hohen Ranges des Demonstrationsrechtes müssen Anwohner oder auch Verkehrsteilnehmer nicht selten Einschränkungen in ihrer freien Mobilität erdulden. Dies ist jedoch nur dann hinnehmbar, wenn das Demonstrationsrecht eng gefasst wird. Darum hat der Gesetzgeber zulässige Beschränkungen der Versammlungsfreiheit und somit auch des Demonstrationsrechtes im Versammlungsgesetz festgeschrieben. Diese Beschränkungen betreffen Volksfeste und andere Volksbelustigungen wie auch kommerzielle Veranstaltungen, denn hier bestimmt in erster Linie der Wunsch nach gemeinsamer Unterhaltung das Zusammentreffen der Teilnehmer und nicht die gemeinsame Kundgabe einer Meinung oder politischer Forderung. In den Schutzbereich der Versammlungsfreiheit fallen Versammlungen zwar auch dann, wenn sie ihre kommunikativen Zwecke unter Einsatz von Musik und Tanz verwirklichen. Dies ist zu bejahen, wenn diese Mittel zur kommunikativen Entfaltung mit dem Ziel eingesetzt werden, auf die öffentliche Meinungsbildung einzuwirken.
Zusammengefasst heißt das, dass wenn eine geplante Zusammenkunft von Personen Elemente enthält, die sowohl auf die Teilhabe an der öffentlichen Meinungsbildung gerichtet sind (Lieder mit politischen Botschaften, Plakate, Flyer, Reden), als auch solche, die anderen Zwecken dienen (Tanzmusik, Tanz, Spaß), ist sie als Versammlung im Sinne des Grundgesetzes und des Versammlungsgesetzes zu behandeln, wenn die anderen Zwecke nicht aus der Sicht eines durchschnittlichen Betrachters erkennbar im Vordergrund stehen.
Beim Demonstrieren muss man nicht ernst sein, auch Spaß ist erlaubt!
Die Demonstration Hanfparade
Die Hanfparade ist nicht nur eine Demonstration, bei der die Missbilligung von Bestimmungen im BtMG seitens der Teilnehmer zum Ausdruck gebracht wird, sondern auch eine Kritik an der oft oberflächlichen und einseitigen Berichterstattung über Drogen im allgemeinen und Cannabis im speziellen in den Massenmedien. Vertreter dieser Medien werden die Hanfparade beobachten und darüber berichten. Für diese Medienvertreter ist immer die Zahl der Teilnehmer eine wichtige Größe für die Art der Aufmachung ihrer Berichterstattung. Je mehr Leute zur Hanfparade erscheinen, umso schwieriger wird es für diese Medienvertreter, die Hanfparade als Ganzes sowie die zum Ausdruck gebrachten Meinungskundgebungen tot zu schweigen. Deshalb ist es wichtig, dass viele Leute zur Hanfparade kommen und dass Botschaften zur allgemeinen Meinungsbildung klar und gut verständlich vermittelt werden. Genau darin liegt der Wesenskern der Versammlungsfreiheit.
Quellen
- Verfassung des Deutschen Reiches („Paulskirchen-Verfassung“) vom 28.03.1849 (Volltext PDF)
- Text der Französischen Verfassung von 1791 (deutsche Übersetzung)
- Urteil des 6. Senats des Bundesverwaltungsgerichts vom 16. Mai 2007 über den Demonstrationscharakter der „Fuckparade 2001„
- Pressemitteilung des Bundesverwaltungsgerichts zur Entscheidung BVerwG 6 C 23.06 „Versammlungsfreiheit für Fuckparade 2001„
Berlin, 1. Februar 2008