Cannabis im Opiumgesetz?
Die deutsche Pharmaindustrie wurde durch die gesetzgeberischen Aktivitäten kaum beeinträchtigt. Die deutschen Exportschlager Morphin, Heroin, Kokain und Codein wurden zwischen 1921 und 1928 mit großen Steigerungsraten produziert.1 Allein im Jahr 1928 verarbeitete die deutsche "Alkaloidindustrie" knapp 200 Tonnen Opium. Daraus wurden über 20 Tonnen Morphin gewonnen, knapp ein Viertel wurde exportiert. Im Deutschen Reich wurden demnach Ende der 20er Jahre etwa 15 Tonnen Morphin pro Jahr verbraucht – mehr als 100 Millionen Einzeldosen!
Straftaten nach dem Opiumgesetz waren in den 20er Jahren eine Seltenheit. Es wurden nur 100 bis 300 Personen pro Jahr verurteilt.
Das Opiumgesetz richtete sich noch nicht gegen Cannabis. Es beschränkte sich auf Opium, Morphium und Heroin und deren Salze, Esther, Ether, etc. einerseits und Kokain und verwandte Stoffe anderseits.
Erst bei der 2. Opiumkonferenz im Jahr 1925 in Genf wurde die Hanfdroge in ein internationales Abkommen aufgenommen. China und die USA hatten bei der Abstimmung die Konferenz bereits unter Protest verlassen. Indien und sieben weitere Länder stimmten gegen die Aufnahme des Hanfs unter die zu kontrollierenden Drogen. Ägypten und neun weitere Länder, für eine solche Aufnahme. Großbritannien und die Niederlande enthielten sich der Stimme.
Das Deutsche Reich stimmte dafür, weil Ägypten im Gegenzug dem Deutschen Reich zusicherte, kein Importverbot für Heroin zu erlassen. Hanf wurde 1925 den Interessen der deutschen Pharmaindustrie geopfert.
Die Ergebnisse der 2. Opiumkonferenz wurden am 26. Juni 1929 zu deutschem Recht.2 Seither fiel auch der indische Hanf, das heißt auch Haschisch und Marihuana, unter den Geltungsbereich des Opiumgesetzes, wobei die medizinische Anwendung nicht tangiert wurde.
Am 10. Dezember 1929 integrierte man sämtliche bis dahin gültigen Verordnungen und Gesetze in einem neuen Opiumgesetz.3 Mit dem Ersten Gesetz zur Änderung des Opiumgesetzes vom 22. Mai 19334 und dem Zweiten Gesetz zur Änderung des Opiumgesetzes vom 9. Januar 19345 und dem Gesetz über Reichsverweisungen vom 23. März 19346 wurden die verwaltungsrechtlichen Vorschriften auf Grund neuer internationaler Verpflichtungen noch mehrfach geändert. Zudem wurde die zusätzliche Möglichkeit geschaffen, durch Rechtsverordnung ständig neue Stoffe dem Opiumgesetz zu unterstellen, wenn dies auf Grund ihrer Wirkungsweise gerechtfertigt erschien (§ 1 Abs. 2 OpiumG 1929).
Die Höhe der Strafandrohung wurde jedoch stets bei drei Jahren Gefängnis und/oder Geldbuße belassen.
Von der Möglichkeit weitere Betäubungsmittel den Bestimmungen zu unterstellen, wurde im Deutschen Reich nur selten Gebrauch gemacht. Wenn dann wurden jeweils eine oder wenige Substanzen, die vornehmlich als Opiatersatz dienten, dem Opiumgesetz unterstellt. Insgesamt gab es bis 1945 nur sechs solche Verordnungen. Nach Kriegsende machte die Bundesregierung erstmals am 16. Juni 1953 Gebrauch von der Regelung und erweiterte den Geltungsbereich des Opiumgesetzes um gleich 13 neue Stoffe.
Mit Beginn der sechziger Jahre wurden immer häufiger immer mehr Stoffe dem Opiumgesetz unterstellt, wobei die "Unterstellungs-Verordnungen" nun "Gleichstellungs-Verordnungen" hießen. Bis zur Einführung des neuen Betäubungsmittelgesetzes im Dezember 1971 wurden fünf Gleichstellungs-Verordnungen in Kraft gesetzt.
- 1Hessische Kommission "Kriminalpolitik": Dokumentation. Entkriminalisierungsvorschläge der Hessischen Kommission "Kriminalpolitik" zum Betäubungsmittelstrafrecht, in: Strafverteidiger 5/1992, S. 249 ff.
- 2Gesetz über das Internationale Opiumabkommen vom 19 Februar 1925 im Deutschen Reich per Gesetz vom 26. Juni 1929 zu innerstaatlichem Recht deklariert (RGBl. 1929, II S. 407)
- 3Gesetz über den Verkehr mit Betäubungsmitteln (Opiumgesetz) vom 10. Dezember 1929 (RGBl. 1929, I S. 215)
- 4Erstes Gesetz zur Änderung des Opiumgesetzes vom 22. Mai 1933 (RGBl. 1933, I S. 287)
- 5Zweites Gesetz zur Änderung des Opiumgesetzes vom 9. Januar 1934 (RGBl. 1934, I S. 22)
- 6§ 11 Nr. 4 Gesetz über Reichsverweisungen vom 23. März 1934 (RGBl. 1934, I S. 213)