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Verordnungen und Dringlichkeit

Im Zuge der Einführung des Gesetzes zur Bekämpfung des illegalen Rauschgifthandels und anderer Erscheinungsformen der organisierten Kriminalität (OrgKG) hat der Bundestag mit Zustimmung des Bundesrates neben zahlreichen anderen Gesetzesänderungen (und Verschärfungen) auch § 1 BtMG geändert und durch neue Befugnisse für den Bundesminister für Gesundheit ergänzt. Gemäß OrgKG vom 15. Juli 1992 Artikel 2 (Änderung des BtMG)1 wurde der Bundesminister für Gesundheit durch den neu eingefügten Absatz 3 in § 1 BtMG ermächtigt:

in dringenden Fällen zur Sicherheit oder zur Kontrolle des Betäubungsmittelverkehrs durch Rechtsverordnung ohne Zustimmung des Bundesrates Stoffe und Zubereitungen, die nicht Arzneimittel sind, in die Anlagen I bis III aufzunehmen, wenn dies wegen des Ausmaßes der missbräuchlichen Verwendung und wegen der unmittelbaren oder mittelbaren Gefährdung der Gesundheit erforderlich ist. Eine auf Grundlage dieser Vorschrift erlassene Verordnung tritt nach Ablauf eines Jahres außer Kraft.

Gesetz zur Bekämpfung des illegalen Rauschgifthandels und anderer Erscheinungsformen der organisierten Kriminalität (OrgKG)

Der Gesetzgeber hat die Befugnis des Bundesministers für Gesundheit, Verordnungen zu erlassen, mit der Einschränkung verknüpft, das diese Verordnungen zeitlich befristet sind und nach einem Jahr ohne weitere Maßnahmen außer Kraft treten, das heißt, dass diese Verordnungen höchstens ein Jahr lang rechtsgültig sein sollen, wenn nicht innerhalb der gegebenen Frist die Bundesregierung nach Anhörung der Sachverständigen und mit Zustimmung des Bundesrates eine entsprechende Gesetzesänderung umsetzt.

Von dieser Dringlichkeitsermächtigung wurde erstmalig im Jahr 1995 Gebrauch gemacht. Auf dieser Grundlage unterstellte der damalige Gesundheitsministers Horst Seehofer (CSU) vier synthetische Drogen im Rahmen der sechsten Betäubungsmittelrechts-Änderungsverordnung (6. BtMÄndV) vom 14. September 19952 dem BtMG. Bei einer dieser vier Substanzen handelte es sich um MBDB,3 das auch als Ersatz für das schon seit 1986 illegalisierte MDMA 4 als auch für das 1991 illegalisierte MDE 5 hergestellt und in Verkehr gebracht wurde.

Da die Bundesregierung es versäumt hatte, die zeitlich befristete Unterstellung von MBDB (und den drei anderen Substanzen) unter das BtMG durch eine reguläre Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates zu bestätigen, unterlagen die besagten vier Substanzen nach Ablauf der Jahresfrist am 27. September 1996 nicht mehr den betäubungsmittelrechtlichen Vorschriften. Eine Strafbarkeit des Inverkehrbringens dieser Substanzen war zwar immer noch durch die Vorschriften des Arzneimittelgesetzes (AMG) gegeben, jedoch bietet aus polizeilicher Sicht das AMG keine ausreichende Rechtsgrundlagen für ggf. notwendige spezielle Ermittlungsmaßnahmen sowie für die Verfolgung von Auslandsstraftaten. Zudem sieht das BtMG eine wesentlich höhere Strafandrohung im Zusammenhang mit Handeltreiben vor als das AMG und gibt überdies auch gegenüber Besitzern derartiger Substanzen strafrechtliche Handlungsmöglichkeiten.

Obwohl die Sachverständigen nach § 1 Abs. 2 BtMG der unbefristeten Unterstellung dieser vier Stoffe unter das BtMG zugestimmt hatten, konnte eine reguläre Gesetzesänderung auch nach Ablauf der Jahresfrist aus verfahrensmäßigen Gründen nicht umgesetzt werden. Die damaligen Oppositionsparteien (SPD und Bündnis 90/Die Grünen) knüpften an die notwendige Gesetzesänderung akzeptanzorientierte drogenpolitische Bedingungen und verweigerten sich mit ihrer Stimmenmehrheit im Bundesrat einer Zustimmung. Nach Ansicht des damaligen Gesundheitsminister Horst Seehofer sei dadurch eine neue dringliche Sachlage entstanden und so machte er im Januar 1997 ein zweites mal Gebrauch von der Dringlichkeitsermächtigung und unterstellte die besagten vier Substanzen ein zweites mal mit weiteren 6 anderen Substanzen für ein Jahr unter die betäubungsmittelrechtlichen Vorschriften. Durch Inkrafttreten der 9. BtMÄndV vom 28. Januar 19976 am 31. Januar 1997 war MBDB wieder illegalisiert und somit nicht nur der Handel, sondern auch der Besitz von MBDB wieder strafbar.

Die wiederholte Illegalisierung der gleichen Substanzen durch die Dringlichkeitsermächtigung löste nicht nur bei den damaligen Oppositionsparteien (SPD und Bündnis 90/Die Grünen) heftige Kritik aus. Auch in Juristenkreisen wurde diese Maßnahme heftig diskutiert.

Im Rahmen der 10. BtMÄndV vom 20. Januar 1998,7 die am 1. Februar 1998 in Kraft trat, wurden die zehn Stoffe, die mit der 9. BtMÄndV für ein Jahr befristet dem BtMG unterstellt waren, mit zwei weiteren noch nicht betäubungsmittelrechtlich erfassten Substanzen, dem BtMG dauerhaft unterstellt.

Wenige Wochen vor dem Regierungswechsel im Sommer 1998 setzte der noch amtierende Gesundheitsminister Horst Seehofer (CSU) seine Unterschrift unter die 12. BtMÄndV vom 7. Oktober 1998,8 die am 10. Oktober 1998 in Kraft trat. Erneut wurden sechs bisher nicht illegalisierte Substanzen für ein Jahr befristet den betäubungsmittelrechtlichen Vorschriften unterstellt und durch die Aufnahme in Anlage I BtMG zu nicht verkehrsfähigen und nicht verschreibungsfähigen Betäubungsmitteln deklariert.

Mit der 13. BtMÄndV vom 24. September 1999,9 die genau ein Jahr später rechtskräftig wurde, unterstellte die neue Gesundheitsministerin Andrea Fischer (Bündnis 90/ Die Grünen) die sechs Substanzen ein zweites mal für ein weiteres Jahr auf Grundlage der Dringlichkeit den Bestimmungen des BtMG. Zusätzlich wurden sechs bisher betäubungsmittelrechtlich nicht erfasste Substanzen in Anlage I BtMG neu aufgenommen und somit verboten.

Wiederum ein Jahr später wurden mit der 14. BtMÄndV vom 27. September 200010 sechs Substanzen zum dritten mal in der Folge und sechs Substanzen zum zweiten mal sowie zwei weitere Substanzen erstmalig in Anlage I BtMG aufgenommen und somit zu nicht verkehrsfähigen und nicht verschreibungsfähigen Betäubungsmitteln deklariert.

Da der Gesetzgeber bei der Ermächtigung des Gesundheitsminister zur Aufnahme von Stoffen und Zubereitungen gemäß § 1 Abs. 3 BtMG in Anlage I BtMG durch Rechtsverordnung in dringenden Fällen die rechtliche Wirksamkeit der auf Grundlage dieser Vorschrift erlassenen Verordnungen auf ein Jahr befristete, ist es weder im Sinne des Gesetzgebers noch im Sinne des Gesetzes rechtens, diese Dringlichkeitsermächtigung in der Folge wiederholt bezogen auf die gleichen Substanzen anzuwenden. Durch so ein Vorgehen wird dem Wille des Gesetzgebers zur zeitlichen Beschränkung der allein vom Gesundheitsminister erlassenen Verordnungen nicht Rechnung getragen und zugleich wird so auch ein wesentlicher Kern der Vorschrift umgangen. Gesetzestreue, logisch denkende Juristen sprechen hier von fortgesetzter Rechtsbeugung.

Bemerkenswert ist auch die Tatsache, dass im Gegensatz zum früheren Drogenbeauftragten der Bundesregierung, Eduard Lintner (CSU), die ihm nachfolgende Drogenbeauftragte Christa Nickels (Bündnis 90/Die Grünen) nach der Verkündung von neuen BtMÄndV keine Pressekonferenzen abhielt. Auch die beiden der SPD zugehörigen Drogenbeauftragten, Marion Caspers-Merk und Sabine Bätzing versäumten es zumeist, Änderungen in den Anlagen des BtMG bekannt zu geben.

Die Aufnahme von neuen Stoffen in Anlage I BtMG birgt auch immer neue Gefahrenpotentiale für die Gesundheit der Liebhaber psychoaktiver Substanzen, da diese, insbesondere wenn sie gesetzestreu sind, in der Folge auf andere (noch nicht illegalisierte) Substanzen ausweichen, die zumeist weniger erforscht sind und über deren Wirkungs- und Gefährdungspotential weniger bekannt ist. Das Verbot einer Substanz mindert darum oft nicht die unmittelbare und mittelbare Gefährdung der Gesundheit, sondern vergrößert dieselbe und erhöht das Risiko für die Gebraucher.


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